1. Anspruch des Kindes für dessen Lebensunterhalt

Beide Elternteile sind ihren minderjährigen Kindern zu Unterhalt verpflichtet. Leben die Eltern getrennt und wird das Kind überwiegend von einem Elternteil betreut, erfüllt dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht durch Betreuung. Der andere Elternteil erfüllt seine Unterhaltspflicht dann in Geld. Dieses Geld kann der betreuende Elternteil im Namen des Kindes fordern.

§ 1601 BGB: Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

2. Wie wird der Kindesunterhalt berechnet?

Bedarf des Kindes nach Einkommen des Unterhaltspflichtigen

Beim Kindesunterhalt für minderjährige Kinder richtet sich der Bedarf nach dem Lebensstandard, welchen das Kind hätte, wenn die Eltern noch zusammen wirtschaften würden. Der Bedarf des Kindes ist daher neben dem Alter abhängig vom unterhaltsrelevanten Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Das Einkommen des betreuenden Elternteils ist nicht relevant.

Um zu einheitlichen Werten für den Bedarf von Kindern abhängig vom Alter und dem Einkommen der Eltern zu gelangen, wird einmal im Jahr die Düsseldorfer Tabelle veröffentlicht, die in Süddeutschland teilweise durch die Süddeutsche Leitlinien abgeändert wird. Aus der Düsseldorfer Tabelle lässt sich der Grundbedarf eines typischen Kindes abhängig vom Alter und dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen ablesen. Die Tabelle gibt den Unterhaltsbedarf für ein Kind in der Annahme an, dass noch eine weitere unterhaltsberechtigte Person (weiteres Kind oder Mutter) Unterhalt vom Unterhaltszahlenden erhält. Bei weniger oder mehr Unterhaltsberechtigten wird eine Einkommensstufe weniger oder mehr verwendet. Wenn der Unterhaltsverpflichtete die Betreuung teilweise übernimmt, jedoch nicht ganz auf die für das Wechselmodell geforderten 50 % kommt, stellt sich die Frage, inwieweit Mehraufwendungen und erweiterte Betreuungsleistungen beim Kindesunterhalt berücksichtigt werden. Der BGH sieht hier lediglich die Möglichkeit den Unterhaltsanspruch nach der Düsseldorfer Tabelle eine oder mehrere Stufen herabzusetzen (BGH, 2014).

Dazu kann ein Mehr- oder Sonderbedarf des Kindes kommen, wenn dieses regelmäßige Ausgaben hat, die nicht vom Regelbedarf gedeckt sind. Diese werden anteilig nach dem unterhaltsrelevanten Einkommen beider Eltern aufgeteilt. Mehrbedarf kann nicht nachträglich geltend gemacht werden. Dies ist nur möglich, wenn es sich um einmalige unvorhergesehene Ausgaben handelt, die dann als Sonderbedarf bezeichnet werden.

formal Lebensstellung von beiden Elternteilen, aber beschränkt auf Einkommen des Unterhaltspflichtigen

Formal richtet sich der Bedarf des Kindes nach der Lebenstellung beider Eltern, nur die Unterhaltspflicht richtet sich nach dem Einkommen der Barunterhaltspflichtigen (BGH, 2022). Praktisch relevant ist das, weil es bein Trennungsunterhalt berücksichtigt wird.

Wohnvorteil kann jetzt durch Tilgungen auf den Kredit der Wohnung aufgebraucht werden.

Über dem Mindestunterhalt kann aufgrund einer Rechtsprechungsänderung können nun nicht mehr nur die Zinsen, sondern auch die Tilgungsraten bis zur Höhe des Wohnvorteils berücksichtigt werden. Dieser kann somit auf null sinken (BGH, 2022). Dies gilt wahrscheinlich auch für Mieteinnahmen aus finanzierten Immobilien (BGH 2021)

Bedarfsdeckung durch eigenes Einkommen

§ 1602 II BGB: Ein minderjähriges Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.

Hat das minderjährige Kind Einkommen ist dieses nach Billigkeit auf den Bedarf anzurechnen. Dies gilt insbesondere für Kapitaleinkünfte, aber auch anteilig zum Beispiel für Nebentätigkeiten, wenn diese über ein bloßes Taschengeld hinausgehen.  Auch das Kindergeld ist Einkommen und mindert daher den Bedarf nach der Düsseldorfer Tabelle. Durch diese Bedarfsdeckung vermindern sich die Zahlbeträge nach der Düsseldorfer Tabelle um die Hälfte des angerechneten Betrages. Die andere Hälfte wird fiktiv auf den Unterhalt des anderen Ehepartners in Erziehungsleistungen angerechnet. Es ist daher regelmäßig die Hälfte des Kindergeldes von den Beträgen der Düsseldorfer Tabelle abzuziehen, um den Zahlbetrag zu erhalten.

Leistungsfähigkeit – verbleibt dem Unterhaltszahlenden noch ein Mindestbetrag?

Auch Minderjährigenunterhalt muss nur so weit gezahlt werden, solange dem Unterhaltszahlenden noch genug Geld verbleibt seine Grundbedürfnisse zu erfüllen. (Anmerkung 6 der Düsseldorfer Tabelle). In diesen Fällen kann der Mindestunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle unterschritten werden. Im Gesetz:

§ 1603 I BGB: Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

In diesen Fällen besteht eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsverpflichteten (§ 1603 II BGB).  Dem Unterhaltsverpflichteten wird daher oft fiktives Einkommen hinzugerechnet. Insbesondere ist meist eine Nebentätigkeit neben dem ausgeübten Hauptberuf zumutbar (BGH 14, OLG 18). Eine Grenze besteht jedoch in der Höchst Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (OLG, 2018).  Der Unterhaltsberechtigte bekommt dann in der Regel Unterhaltsvorschuss nach dem UVG vom Jugendamt. Dieser Betrag liegt jedoch unter dem Mindestunterhalt und wird regelmäßig später vom Jugendamt vom Verpflichteten zurückgefordert, wenn dieser wieder ausreichend Geld hat.

§ 1603 II BGB: Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

3. Mehrbedarf und Krankenversicherung

Die Düsseldorfer Tabelle setzt einen Bedarf für ein Kind fest, um die üblichen Bedürfnisse (z.B. Wohnen, Essen, Freizeit…) zu erfüllen. Manche Kinder haben darüberhinausgehend jedoch einen höheren notwendigen Bedarf. Für diesen sind beide Elternteile im Verhältnis ihres unterhaltsrelevanten Einkommens über dem angemessene Selbstbehalt Unterhaltspflichtig (BGH, 2022). Meist muss dieser Mehrbedarf vorher geltend gemacht werden. Wenn er unvorhergesehen auftritt und auch rückwirkend gefordert werden kann, wird er Sonderbedarf genannt.

Mehrbedarf Beispiele
  • Die Kosten des Kindergartens sind regelmäßig Mehrbedarf (BGH, 2008)
  • Studiengebühren (OLG, 2008)
  • Kosten für private Krankenversicherung (OLG, 2010)
  • Therapie für Lese- Rechtschreib-Schwäche (BGH,  2013)
  • Kosten für Reitunterricht (OLG, 2014)
  • Schulgeld (OLG, 2011) aber nur, wenn die Kosten für den Schulbesuch unbedingt notwendig sind (OLG) Oldenburg, 23. 10. 2018, Az.: 4 UF 92/18).
  • Konfirmation (BGH, 2004)
  • Privatschule (OLG, 2022)
  • Mehrkosten eines Wechselmodells
  • Kein Mehrbedarf ist berufsbedingte Betreuung von Kinder (BGH, 2017)
  • Keine Hortkosten (AG Pforz. 2019 22.2.2019)
  • Als Sonderbedarf die Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung (KG, Berlin, 2017), Erstausstattung eines Neugeborenen (OLG, 2009)

Die Kosten der Krankenversicherung des Kindes gehören zum notwendigen Bedarf (BGH, 2018) und sind daher vom Unterhaltspflichtigen allein zu tragen. Dies wenn das Kind nicht unterhaltspflichtigen Elternteil (OLG Fra, 2020) beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenkasse mitversichert werden kann. Die Kosten stellen einen Abzugsposten bei der Berechnung von des weiteren Unterhaltes dar.

4. Verfahren der Geltendmachung

Überwiegend betreuender Elternteil vertritt das Kind im Unterhaltsverfahren gegen den anderen Elternteil

Das Gesetz überträgt dem Elternteil in dessen Obhut sich das Kind befindet, die Befugnis den Unterhaltsanspruch des Kindes grundsätzlich in Vertretung geltend zu machen (§ 1629 II 2 BGB). Ein Kind lebt im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem das Schwergewicht der tatsächlichen Betreuung liegt (BGH; 2005). Betreuungen beide Eltern zu gleichen Teilen, ist dies nicht möglich. In diesem Fall muss vor dem Unterhaltsverfahren eine entsprechende Vollmacht erteilt werden, oder ein Ergänzungspfleger gestellt werden (OLG, 2023).

Vertretung des Kindes in gesetzlicher Vollmacht, oder im eigenen Namen in gesetzlicher Verfahrensstandschaft

Wenn die Eltern verheiratet sind, besteht eine zwingende gesetzliche Verfahrenserfolgt für das Kind gegen den anderen Elternteil im eigenen Namen (§ 1629 Abs. 3 BGB). Im Übrigen im Namen des Kindes, vertreten durch den Elternteil (§ 1629 Abs. 2 S. 2 BGB). Der betreuende Elternteil kann dies selbst, oder über einen Rechtsanwalt machen.

Kostenlose Vertretung des betreuenden Elternteiles durch die Beistandschaft des Jugendamtes

Der Betreuende Elternteil kann das Jugendamt damit beauftragen, den Unterhalt für das Kind beim anderen Elternteil geltend zu machen (Beistandschaft § 1712 BGB).  Dies auch bei getrenntlebenden, verheirateten und gemeinsam sorgeberechtigten Eltern (BGH, 14). In diesem Fall ist nur noch das Jugendamt berechtigt den Unterhalt gerichtlich geltend zu machen (§ 234 FamFG).

Anspruch auf Titulierung – Jugendamtsurkunde

Das Jugendamt kann für den Kindesunterhalt kostenlos einen Vollstreckungstitel (Jugendamtsurkunde) erstellen (§ 59,60 SGB VIII). Hierauf hat der Unterhaltsberechtigte einen Anspruch, damit er bei Ausbleiben des Unterhaltes notfalls vollstrecken kann. Dieser Titel kann gerichtlich abgeändert werden, wenn hierfür ein Grund (z.B. veränderte Einkommensverhältnisse, Volljährigkeit…) vorliegen (§ 239 FamFG ,§ 313 BGB).

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